Im Club war die Stimmung unzeitgemäß gut. Am meisten beeindruckte mich, dass es in dem Großraum nirgendwo Bereiche gab, in denen nicht alles zu sehen gewesen wäre. Für mich war ein Club ein abgedunkelter Raum, in dem sich die Menschen bewusst der Sichtbarkeit des Tages entzogen. Hier schlugen die räumlichen Verhältnisse eine andere Art des Feierns vor. Die Szenen waren grell und fröhlich, wobei mich die Lichtanlagen an die Scheinwerfer von Polizeihubschraubern denken ließen. Ich fühlte mich von ihnen in jeder meiner Bewegungen beobachtet, was meine grundsätzliche Verunsicherung verstärkte und letztlich dazu führte, dass ich mich gar nicht mehr bewegte. Ich verharrte inmitten der Menge und rechnete jeden Moment damit, entlarvt zu werden.
Was ist die Form einer solchen Sprache? Ein Ritt auf dem schmalen Grat zwischen dem zufälligen „Weltevent“ und seiner Auswirkung auf die „Ichstelle“.
Streaming Killed the Radio Star
Die monatlich rund 1 200 Sendungen auf NTS kommen aus über 50 Städten weltweit, der Sender betreibt neben seiner Zentrale in London mittlerweile drei weitere Studios in Manchester, Shanghai und Los Angeles. Der Stream ist allerdings nicht auf die Zeitzonen abgestimmt, weshalb es passieren kann, dass man an einem Sonntagmorgen ein hartes Techno-Set aus Mexiko-Stadt oder am Freitagabend Ambient aus Melbourne zu hören bekommt.
Spröde, aber volle Lippen,
erschienen in: Die Epilog #9
Die Betonwand, die ich auf Schadstellen zu prüfen hatte, war zunächst ein unscheinbares Stück grauer Stein, vervielfältigte sich bei näherer Betrachtung aber in ein ein lebendiges Feld unterschiedlichster Farb- und Strukturnuancen. Nach einiger Zeit, als sich die Augen an das Grau gewöhnt hatten, traten auch kleinste Abweichungen aus der homogenen Fläche hervor. Mit den Fingerspitzen die Wand nach Unebenheiten abtastend, nahm die Tiefe der Oberfläche weiter zu. Einer der Effekte dieser Arbeitsweise war, dass ein mögliches Ende in immer weitere Ferne rückte.
Ein Forschungsteam züchtet auf einer abgelegenen Insel die neuartige Mikroalge Naxos und träumt bereits vom Beginn eines klimaneutralen Energiezeitalters – bis sich der Projektleiter als korrupter Manipulator herausstellt und die Gruppe in einen tödlichen Konflikt um die Deutungshoheit reißt.
Wie der Körper und die Psyche des Erzählers, ist der Text nämlich zerlöchert, kaputt, malträtiert, ja, wie vom Leben gezeichnet. Wenn vom Sprayen und dem Hussle mit den Ordnungshütern erzählt wird, dann auch in Form der maskierten, verstellten Wort- und Satzstrukturen. Wenn vom Vater und seinem Wunsch nach einem geordneten Leben erzählt wird, dann tritt die Gegenwehr in Form der konsequent falschen Grammatik auf. Und wenn der manisch-depressive Erzähler auf seinen Spaziergängen neue Sinnzusammenhänge entdeckt, dann wird das über die konkreten Neuerfindungen von grammatischen und orthographischen Gesetzen zum Gegenstand von Sprache. Durch diese konkrete Bearbeitung der Zeichen schafft Kemter eine schräge, aber irgendwie sehr reale Welt. Ihre formvollendete Kaputtheit repräsentiert zum einen die paradoxen Zuständen einer Stadt wie Berlin, in der alles gut und zugleich am Arsch ist. Und zum anderen lässt sie die Überforderung spürbar werden, ein klares Bild dieser undurchsichtigen Lebensgrundlage zu gewinnen.
Ich bin mir sicher, Ryan Gosling zu sein,
(PDF), erschienen in: Die Epilog #7
Beim Ausnüchtern im Humboldthain jagt ein Rüde eine Krähe. Die Nacht übergibt sich. Gedankensplitter im Erfahrungsschatz. Schon passt alles wieder nicht mehr zusammen.
Ich schlage einen Volley Slice in die hintere Ecke der Wiese
Gestern, beim Finale der Herren, setzte mit dem Auftauchen des Schattens auf dem östlichen Zipfel des Platzes die Niederlage Federers gegen Djokovic ein. Schon früher, als der Schatten den Rasen noch gar nicht erreicht hatte, blickte FedEx immer wieder skeptisch in den Himmel und schien es mit einem Mal eilig zu haben. Doch der Schatten kam. Federer hatte zudem das Pech, genau in jenen Momenten auf der Nordseite aufschlagen zu müssen, als das Licht die Wurfbahn in eine hellere und eine dunklere Hälfte teilte. So stieg der Ball beim Hochwerfen zunächst durch den Schatten und erreichte in der oberen Hälfte die Sonne. Er machte zwar keine direkten Aufschlagfehler, doch seinem Service fehlte jetzt die nötige Präzision, oder, wie es Boris Becker bei BBC kommentierte: „He is not hitting the spots anymore."
Wenn die Unternehmungen von Naturwissenschaften und Musikindustrie so phantastisch ineinandergreifen, wie sie es in diesen Tagen getan haben, dann darf uns gleich sein, ob die Sirenen, die uns rufen, fake sind oder nicht. Wir sind die neuen Argonauten, die an den schroffen Klippen der Tatsachen vorbei in eine schwerelose Zukunft steuern. „I get ready, I get all dressed up / To go nowhere in particular.“
Zu Deiner Verfügung,
(PDF), erschienen in: Am Strand #3
Die Erleichterung, die auch ein Kritiker im Studio findet, beginnt, sobald man aufhört sich aus der Distanz zu den Dingen zu verhalten und es zulässt, von dem Raum und seinen Funktionsmaschinen gehalten und geleitet zu werden. Bewege ich mich also nicht mehr als vermeintlich objektiver sondern als trainierender Beobachter durch mein Studio, dann erfahre ich die stabile Ruhe des Studios als eine Bewegung auf die Geräte zu. Ich kann mich auf dem Weg dorthin noch fragen, was mich umgibt und wie es mir gerade geht, doch sobald ich mich in das Gerät hineinbegeben habe, hört mein Denken auf, eine Sonderrolle zu beanspruchen. Die Hemmschwelle, mich mit einem der Geräte zu verbinden, ist dabei selten niedrig, denn seine Struktur ist einzig darauf angelegt, mich aufzunehmen. Wie in die offenen Arme eines Freundes muss ich mich nur hineinfallen lassen und nach seinen Halterungen greifen, die mir in ihrer metallischen Gelassenheit stumm vermitteln, dass sie auf mich gewartet haben.
In the first scenes of this 17-minute video, the camera scans the bodybuilder from her toes upwards, following the hands of an assistant who greases her with smacking fingers. The close-up creates not only a highly sensual picture, but also the illusion that one can see how the oil dissolves under the skin. The result is a scenario that captures what the film longs for: to become a body itself.
Matias Faldbakkens neuer Roman „The Hills“ nimmt einen merkwürdigen Verlauf. Er beginnt, baut sich auf und verschwindet, ohne, dass im engeren Sinne etwas passiert wäre. Doch so wenig Handlung, so ausgeprägt ist die Wirkung der Leere, die sich steigert, bis es scheint, als bliebe von allem nur ein schwarzes Loch. Im Nachhinein hat man sogar den Eindruck, als wäre von Anfang an nichts da gewesen. Oder vielleicht sogar so: Dass die Handlung nur dazu dient, der Leere einen Raum zu geben, sie quasi einzumauern, um sie betreten zu können.
Die Luftgitarre wird als Instrument unterschätzt
Hier wird auf Sonnenbänken gelegen: Die Zeitschrift „Das Wetter“ aus Berlin sucht nach neuen Lichtgestalten der Musik und Literatur. Von ihren Vorbildern können sich die Macher aber nicht ganz befreien.
Es kommt nicht von ungefähr, dass in der Wahrnehmung von Haraway stets eine Unsicherheit darüber existiert, was sie denn nun eigentlich ist. Eine Sciencefiction-Autorin? Eine Biologin? Oder doch eine Philosophin, die unsinnig viele Phantasievorstellungen in ihren Text schraubt, um sich als einfallsreiche Geschichtenerzählerin von den prick tales der heteronormativen Gangart zu distanzieren? Eine solche Kategorisierung sich ausschließender Denk- und Tätigkeitsfelder hat mit Haraways eigenen Überlegungen allerdings wenig bis nichts zu tun. Denn unabhängig davon, wer sich was auf seine Visitenkarte schreibt, geht es für sie um die Art und Weise, wie mit Material – sowohl theoretischer als auch materieller Natur – umgegangen wird und wie sich was in eine produktive Beziehung setzen lässt. Entsprechend ist eines der zentralen Motive ihres Buches der „Kompost“.
Dominik hat den Tod seines Vaters nie überwunden. Um sich abzulenken, fährt er mit seinem Bekannten Paul auf das alte Familiengut nach Schweden. Während er sich immer mehr zu Paul hingezogen fühlt, verliert er sich allmählich in seinen mit dem Ort verbundenen Erinnerungen.
Hier nimmt die Studie eine in der Theorie leider selten gewordene Dynamik auf, denn Diederichsens Begriffe werden - genauso wie der Körper in den nachpopulären Künsten - teilbare Glieder in einer sozusagen gigantisch langen Kette gegenseitiger Verursachungen.
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